Sonntag, 30. Juli 2017

Vom Großstadtdschungel in den echten Dschungel

Nach zwei Tagen in Kuala Lumpur ging unsere Reise am Freitagmorgen Richtung Taman Negara, was übersetzt Nationalpark heißt. Um acht Uhr wurden wir mit einem Kleinbus abgeholt und fuhren eine Stunde durch die Stadt, um andere Reisende einzusammeln. Am Zielort stellten wir dann fest, dass dieser ungefähr fünf Minuten zu Fuß von unserem Hotel in Chinatown lag und wir eine Stunde hätten länger schlafen können. Aber gut, auch auf der Fahrt im Bus konnten wir uns noch ein bisschen ausruhen.
Nach ungefähr vier Stunden Fahrt kamen wir in der Nähe von Jerantut an einer Jeti Station an, also einem Ableger für kleine Boote mit Außenmotor. Damit ging die Reise erneute drei Stunden weiter über den Fluss bis zu unserem Zielort, dem Mutiara Taman Negara Resort. Auf der Fahrt sah Kathi eine fette Kobra auf einem Stein im Fluss liegen und uns war klar, dass wir in diesem Wasser nicht schwimmen gehen wollten. Im Resort verbrachten wir den ersten Abend, fuhren zum Essen aber auf die andere Flussseite. Eine Fahrt mit einem Flusstaxi kostete pro Person umgerechnet 20 Cent. Das Essen selber hatte leider mal wieder zu viel Knoblauch enthalten, so dass es Kathi am Abend nicht gut ging und auch am Morgen das Frühstück noch nicht so richtig schmecken wollte. Das war nicht ganz so gut, weil an diesem Tag unsere zweitägige Dschungeltour beginnen sollte. Gut, dass wir da noch nicht wussten, was uns an diesem Tag für Anstrengungen erwarten würden.
Zunächst kam unser Guide um 10 Uhr zum Resort. Von dort aus ging es in den Dschungel. Nach ungefähr eineinhalb Stunden machten wir den ersten Halt und bereits hier waren unsere Sachen fast vollständig nass. Das war zum einen von unserem Schweiß, aber auch von den umgebenden Luft, die mit 85-90% Luftfeuchtigkeit und 30°C die Heranforderung der anstehenden Wanderung um unlängen Größer machte. Nach der Pause ging es für weitere 4,5 Stunden durch den Dschungel. Unterwegs trafen wir andere geführte Gruppen sowie ein Pärchen, dass sich am Vortag allein auf den Weg gemacht hatte, um einen kleinen Tagesausflug in den Dschungel zu machen. Unser Guide erzählte uns, dass es immer wieder vorkommt. Touristen verstünden nicht, warum sie für einen "Waldsparziergang" einen Guide bräuchten und Geld bezahlen müssen. Das Ergebnis konnte man bei diesem Paar sehen. Das Ziel ihrer Wanderung war eine Jeti Station, von der tagsüber immer wieder Boote zur Region des Resorts fuhren. Allerdings kamen die beiden wohl zu spät dort an und es dämmerte bereits, sodass sie keine Möglichkeit mehr hatten, zurück zu ihrem Hotel zu kommen. Kurzerhand und notgedrungen beschlossen sie, ohne ausreichend Wasser und Nahrung ihr Camp für den Abend auf der Terasse eines alten Restaurants an der Jeti Station aufzumachen und die Nacht dort zu verbringen. Wenn man überlegt, dass in diesem Dschungel Tiger, Pumas und Elefanten sowie diverse giftige Schlangen und viele Blutegel leben, dann ist das schon ein heikles Unterfangen. Umso unverständlicher war für uns, dass wir die beiden am nächsten Tag zu Fuß trafen. Immerhin waren sie bereits an dem Bootsanleger gewesen, von dem aus sie am Morgen hätten mit einem Boot fahren können. Statt dessen machten sie sich auf den Weg, um einen weiteren 18-km-Marsch durch den Dschungel ohne Guide anzutreten. Die Gefahr, hier den falschen Abzweig zu nehmen, war extrem groß und schnell konnte man immer tiefer in den Dschungel geraten, statt Richtung Resort zu gehen. Besonders umgefallene Bäume machten zum Teil das Durchkommen schwierig und der richtige Pfad war nur mit viel Erfahrung in solchen Situationen zu erkennen.
Nachdem wir einen Großteil des Weges hinter uns hatten, erreichten wir völlig durchgeschwitzt und auch ziemlich platt eine wunderschöne Furt an einem Fluss, die wir passieren mussten. Da wir ganz in der Nähe unseres Nachtlagers waren und es noch zu früh war, um dort hinzugehen - es wäre dort zu heiß gewesen - schlug uns der Guide vor, dass wir in dem Fluss ein Bad nehmen könnten. Also packten wir unsere Schwimmsachen aus, die wir glücklicherweise mitgenommen hatten und gingen im Fluss baden. Ungefähr eine Stunde kühlten wir unsere überhitzten Körper in den frischen Wasser ab und genossen diese schöne Erholung.
Gegen 17 Uhr gingen wir dann zu unserem Nachtlager. Wir hatten auf dem Weg schon vom Guide erfahren, dass wir in einem Aussichtsturm übernachten würden. Insgesamt war dort Platz für 12 Leute. Für jeden gab es eine Holzpritsche. Der Turm war in der Nähe eines Wasserlochs mit Kalzidgestein gebaut, dass von den Tieren häufig heimgesucht wurde. Wir bereiteten uns zunächst für die Nacht vor. 

Während es auf den Beschreibungen für die Tour hieß, dass wir Schlafsäcke bekommen würden, hatte der Guide aber nichts dergleichen dabei und schien auch nichts davon zu wissen. Entsprechend spartanisch konnten wir uns dann auch nur für die Nacht ausrüsten. Kathi nahm unsere beiden Regencapes als Unterlage und Decke und ich entschied, auf dem Holz zu schlafen. Da es Kathi immer noch nicht so gut ging und ihr noch schlecht war, war es mir wichtig, dass sie sich gut erholen konnte. Ich selber würde in der Nacht sowieso kaum ein Auge zumachen können. Der Aussichtsturm, der laut Beschreibung mit einem kleinen Bad und einer Tür ausgestattet war, hätte mittlerweile beides nicht mehr. Das Bad war unbenutzbar, da die entsprechenden Zuleitungen für Frischwasser von Elefanten zerstört wurden und die Tür war aus den Angeln gerissen. Termiten hatten das Holz um die Scharnieren völlig zernagt. Unser Guide hatte sich auch gleich den besten Platz in dem Raum geschnappt - weit entfernt von der Tür. Ich selber schlief hingegen direkt neben der Tür, damit Kathi nicht als erstes an der Tür liegen musste. Meine Hoffnung war die ganze Nacht, dass kein Tier den Weg die Treppe hoch zu unserem Ausguck finden würde und ich in die Verlegenheit komme, irgendetwas entscheiden zu müssen, was mit Dschungeltieren wie Tigern, Pumas, Affen oder Schlangen zu tun hat. Dass es nicht ganz ungefährlich war, zeigte sich, als der Guide eine Geschichte zu dem Bumbun - übersetzt heißt das Aussichtsturm - erzählte. Während unsere Version auf einem fünf Meter hohen Zementsockel stand, waren die Vorläufer auf Holzpfählen gebaut. Vor einigen Jahren hatte dort eine Gruppe Australischer Touristen übernachtet und in der Nacht Elefanten entdeckt. Mit ihren Kameras hatten sie Bilder mit Blitzlicht von den Elefanten gemacht. Diese gerieten daraufhin in Rage und rammten mit ihren Körpern gegen die Holzpfähle auf denen das Haus stand. Wäre nicht ein Baum in der Nähe gewesen, hätten die Tiere den Bumbun vollständig eingerissen und die Touristen wären sicher nicht mehr am Leben. Soetwas konnte uns zumindest nicht mehr passieren, aber trotzdem war es nicht ungefährlich - eben ein echter Dschungel und kein Zoo. Bis auf ein paar Wildschweine und einen großen Tapirbullen haben wir übrigens kaum Tiere gesehen. Unser Guide versicherte uns aber, dass die Tiere uns ganz genau wahrgenommen haben. Die Zirkaden schlugen regelmäßig Alarm, wenn wir sie passierten und ansonsten waren manchmal Affen zu hören. Womit wir aber ausreichend Erfahrung machten, waren Blutegel. Genau so schwer, wie der Blutegel auf dem folgenden Bild waren die kleinen Blutsauger für uns zu sehen. Wer genau hinsieht, entdeckt einen kleinen fleischigen Bogen in den Mitte des Bildes, der sich gerade von einem zum nähsten Blatt bewegt.
Nicht im Wasser, sondern auf dem nassen Boden waren die kleinen Blutsauger nur damit beschäftigt, in unsere Schuhe und Socken zu kriechen und eine schöne Stelle auf unserer Haut zu finden, um ihren kleinen Bohrer in ein Blutgefäß zu bohren und so lange zu saugen, bis sie das vier- bis fünffache ihrer Größe erreicht hatten. In den meisten Fällen wussten wir das zwar zu vermeiden, aber dennoch war es ziemlich eklig, diese kleinen Würmer von unseren Schuhen zu sammeln. Sowohl bei Kathi als auch bei mir hatten es dann aber doch einige Blutegel geschafft, sich ihren Teil von unserem Blut abzuzapfen. Damit sie gut trinken konnten, gaben sie zu der Einstichstelle etwas Blutverdünner. Wenn sie voll waren, fielen sie ab. Durch den Blutverdünner geronn das Blut aber etwas schwerer und es dauerte länger als gewöhnlich, bis die Blutung stoppte.
In der Nacht konnten wir keine Tiere sehen, aber es war auch so aufregend genug. Die Holzpritschen waren eine Erfahrung wert, aber als Bett für meinen Geschmack reichlich ungeeignet. Interessant war die Lautstärke, die im Dschungel nachts herrscht. Alle möglichen Tiere waren mit Zischen, Singen und Rufen beschäftigt. Gegen 2 Uhr in der Nacht setze für zwei Stunden ein heftiger Regen ein. Jetzt waren die Tiere zwar ruhig, aber der Regen war umso lauter. Der nächste Morgen würde ein Fest für die Blutegel werden, die besonders bei feuchten Boden aktiv waren. Selten habe ich mich so über die ersten Lichtblicke an einem Morgen gefreut, wie in dieser Nacht.
Belohnt wurden wir dann noch mit einem großen Tapirbullen (ca. 400 kg), der an dem Wasserloch den Stein leckte. Gegen 8 Uhr traten wir dann den Rückweg an. Langsam verstanden wir, dass es im Dschungel nicht darum geht, Tiere zu sehen, sondern vor allem von Tieren gesehen zu werden, sodass diese einem scheu ausweichen können. Auch wenn es nicht gerade auf Kathi und mich zutraf, waren Menschen doch seit jeher eine Gefahr für Tiere und das merkte man im Dschungel ganz besonders. Tiere sahen wir hingehen zu Genüge an anderen Stellen in Hotels und Restaurants, wo der Mensch vor allem den einfachen Zugang zu Nahrung darstellte.
Nicht mehr die 16 km des Hinwegs, sondern nur noch zwei Kilometer gingen wir Richtung Fluss und kamen zu der Stelle, wo Nachts zuvor die beiden Touristen übernachtet hatten. Gegen 10 Uhr holte uns dort ein Boot ab und fuhr mit uns zu einem Dorf von Ureinwohnern des Dschungels, den Batik. Die Aboriginies in Malaysia leben teilweise noch genau wie vor hunderten von Jahren. Der Stamm, den wir besuchten, ist allerdings schon etwas mehr in der Moderne angekommen. So gibt es hier westliche Kleidung, Mobiltelefone und fertige Zigaretten. Allerdings ist vieles dennoch so, wie es vor Jahrhunderten schon war. Wir ließen uns zeigen, wie man ein Blasrohr bedient, welche Hochzeitsrituale es gibt und wie die Batik im Dschungel leben. Faszinierend war besonders der Kontrast. Während Kathi und ich uns wie Fremdkörper im Dschungel fühlten, schien es bei den Batik so natürlich zu sein, dort zu leben.


Den Abschluss unserer Dschungeltour bildete noch der Canopee-Walk, eine Brückenkonstruktion in 7m Höhe zwischen den Bäumen im Regenwald. Anschließend fuhren wir den Rest der Strecke mit den Boot zum Resort, kauften uns eine Cola, gingen Duschen und freuten uns, wieder die Annehmlichkeiten der Zivilisation zu spüren. Besonders der Kontrast machte den Dschungel noch einmal interessanter. So haben wir weniger Tiere gesehen, aber dafür viel über unsere Art zu leben gelernt. 

Am Abend aßen wir dann noch etwas, packten unsere Sachen und gingen bald schlafen. Der nächste Morgen würde uns quer durch das Land an die Ostküste führen. Dort ging es auf Pulau Perhentian, eine der größten Inseln der Ostküste. Nach harter Dscungelprüfungen im Inland waren nun zwei Wochen Entspannung angesagt.